KURIER
Die steigenden Zinsen sorgen für eine Trendwende am Immobilienmarkt
Gesamtvolumen der Transaktionen im Vorjahr um zehn Prozent gesunken. Billiger wird Wohnen allerdings nicht
11.01.2023, 17:30
Mit den ständig deutlich steigenden Preisen für Immobilien ist es vorerst vorbei. Die gestiegenen Zinsen erhöhen die Attraktivität von alternativen Anlageformen wie etwa Staatsanleihen oder festverzinste Wertpapiere aus den USA. Vor allem institutionelle Anleger wie Fonds oder Versicherungen regieren rasch auf solche Entwicklungen und investieren in anderen Bereichen. Zwei Drittel der Investitionen kommen von dieser Gruppe.
Vier Milliarden
Das Gesamtvolumen der Transaktionen am Immobilienmarkt ist daher in Vorjahr um 10 Prozent auf vier Milliarden Euro gesunken. Franz Pöltl von der EHL Investment Consulting spricht daher von einer „Trendwende am Immobilienmarkt“. Erst im zweiten Halbjahr 2023 wird es nach seiner Einschätzung wieder steigende Investitionen in den Immobiliensektor geben.
„Die deutlich gestiegenen Finanzierungskosten haben sowohl das Transaktionsgeschehen als auch die Preise negativ beeinflusst“, ergänzt. Michael Ehlmaier, Geschäftsführer der EHL-Immobiliengruppe. Einen Preisrückgang wird es auch wegen der hohen Inflation nicht geben. Ehlmaier rechnet damit, das die Preise für Eigentum in etwa auf dem derzeitigen Niveau bleiben werden.
Wobei die Lage immer noch ein wichtiges Kriterium für die Preisbildung ist. Nur im untern Segment sind die Preise teilweise gesunken. Bei Mietobjekten werde es laut Ehlmaier eine leichte Steigerung geben.
Neue Regeln für Kredite
Auch die verschärften Bedingungen für die Vergabe von Krediten an Private haben negative Auswirkungen auf den Immobilienmarkt. Weniger Kredite bedeuten natürlich auch weniger Investitionen. Der Trend geht weg vom Eigentum in Richtung Miete.
Die EHL-Experten gehen allerdings davon aus, dass der Rückgang der Baubewilligungen während der Pandemie im zweiten Halbjahr 2023 und danach Auswirkungen auf den Immobilienmarkt haben wird.
Im Jahr 2024 werden in Wien nur mehr 11.000 Einheiten fertiggestellt. Das ist der niedrigste Wert seit 2018. Im Vorjahr waren es immerhin noch 19.000 Wohnungen, die auf den Markt gekommen sind. Man kann davon ausgehen, dass ein geringeres Angebot bei gleichbleibender Nachfrage die Preise am Wohnungsmarkt nach oben treibt. Angesichts der vielen Unsicherheiten, wie es mit den Immobilien weiter geht, spricht Ehlmaier von einer „Pattstellung“. Die Käufer warten derzeit auf sinkende Preise. Die Verkäufer warten auf steigende Preise.
Stabilisierung
Ähnlich wie die EHL glaubt auch Andreas Wollein, Vorstand im Verband der Immobilienwirtschaft (ÖVI), dass es außer bei besonders schlechten Lagen zu keinem Preisverfall kommen wird. Er rechnet für 2023 mit Wertsteigerungen von maximal fünf Prozent. Die Schätzung der EHL liegt mit durchschnittlich knapp über sieben Prozent etwas höher.
Vor allem bei Objekten mit Preisen über 500.000 Euro sei die Nachfrage deutlich zurückgegangen, weiß Wollein. Wohnraum ist für ihn nach wie vor eine gute Anlageform. „Wir rechnen mittel- bis langfristig mit einer Stabilisierung der Angebotsnachfrage.“ Es sieht keinen Druck, Immobilien zu verkaufen.
Die Entwicklung am Markt hat Wollein nicht überrascht. „Wir haben immer darauf aufmerksam gemacht, dass die Nullzinsen und die Ermangelung anderer Anlageformen diesen Immobilienboom getrieben haben.“ Nachsatz des Immo-Experten: „Alle Makler wussten, dass es so nicht weitergehen kann“.