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Martin Putschögl, Franziska Zoidl

 

Sinken die Immobilienpreise? "Seitwärtsbewegung, kein Wertverlust"

In weiten Teilen der Immobilienbranche erwartet man für heuer keinen Rückgang der Immobilienpreise. Das Bestellerprinzip sieht man naturgemäß kritisch

 

Dass 2023 für die Immobilienwirtschaft ein herausforderndes Jahr wird, liegt nicht nur am Markt, sondern auch an politischen Eingriffen.

Foto: Getty Images/iStockphoto

Beim Franchise-Makler-Netzwerk Remaxerwartet man heuer einen Rückgang der Immobilienpreise auf das Niveau von 2021 – diese Meldung schlug vor wenigen Tagen ordentlich ein. Beim Österreichischen Verband der Immobilienwirtschaft (ÖVI) hält man den Ball aber lieber flach und spricht höchstens von einer Seitwärtsbewegung. "Wir sehen eine vorübergehende Stagnation, aber keinen 

nachhaltigen Wertverlust", sagte Andreas Wollein, ÖVI-Vorstandsmitglied und Immobiliensachverständiger, in einem Pressegespräch am Dienstag. Und zwar aus folgendem Grund: "Es gibt nicht viele Marktteilnehmer, die Immobilien verkaufen müssen."

Bauträger bekommen wieder Fixpreise

Auch Karina Schunker, Wohnimmobilienexpertin bei EHL Immobilien, betonte am Mittwoch bei einer Pressekonferenz: "Ich sehe kein Sinken der Preise." Allerdings würden sich die Kaufpreise derzeit "in Starre" befinden, Kostentreiber der letzten Jahre – Baukosten und Grundstückspreise – sich auf hohem Niveau einpendeln.

Die Nachfrage sei zuletzt klar rückläufig gewesen, die Vermarktungszeiten haben sich wesentlich verlängert, bekannte Wollein vom ÖVI. Doch im Neubau würden die Preise gar nicht fallen können, weil die Baukosten zuletzt stark gestiegen sind.

Immerhin: An dieser Front habe sich die Lage im Vergleich zur Situation vor einem Jahr stark gebessert, sagte ÖVI-Bauträgersprecher Klaus Wolfinger. Fixpreise seien wieder möglich, doch die durch das hohe Zinsniveau stark gestiegenen Finanzierungskosten werden sich wohl dennoch bremsend auf die Wohnbauproduktion auswirken. Wolfinger forderte auf dem ÖVI-Pressegespräch am Dienstag die Kollegenschaft jedoch durchaus dazu auf, "antizyklisch zu agieren". Denn Immobilien würden aus Sicht der ÖVI-Spitze "langfristig ein sicheres Investment bleiben", wobei man derzeit Miet- und Eigentumsprojekte für gleichermaßen attraktiv hält.

Bestellerprinzip: "Nur Verlierer"

Dass 2023 für die Immobilienwirtschaft ein herausforderndes Jahr wird, liegt aber nicht nur am Markt, sondern auch an politischen Eingriffen. Das Bestellerprinzip bei den Maklerprovisionen wird am 1. Juli in Kraft treten, ÖVI-Präsident Georg Flödl erwartet dadurch "Verlierer auf allen Seiten", wie er mit Verweis auf Deutschland sagte. Dort sei das Angebot mit der Einführung des Bestellerprinzips (2015) zurückgegangen, insbesondere auf Plattformen, "was es für neu zugezogene Menschen schwierig macht, eine Wohnung zu finden". Wer neu in eine Stadt komme, könne meist noch nicht auf informelle Kanäle zurückgreifen.

Flödl erwartet, dass es bei Immobilienunternehmen zu starken finanziellen Einbußen kommen wird, inklusive eines Rückgangs an Arbeitsplätzen, also eines Stellenabbaus. Und mit dem Bestellerprinzip werde auch "die Doppelmaklertätigkeit zu Grabe getragen"; diese sei seit 1921 im Handelsvertretergesetz verankert gewesen. Das Gesetz war sozusagen die Vorgängerin des Maklergesetzes von 1996. "Die Besonderheit der Dienstleistung des Maklers, beide Seiten als Vermittler zusammenzuführen und jeweils zu beraten, wird nun kraft Gesetzes beendet werden", meinte Flödl.

Provision vom Abgeber?

Dass die Abgeberseite groß als Provisionszahler einspringen wird – von ihr sind ja weiterhin drei Bruttomonatsmieten möglich, anders als bei den Mieterinnen und Mietern, wo 2010 auf maximal zwei Bruttomonatsmieten reduziert worden war –, glaubt man beim ÖVI nicht. Vermarktungskosten würden im Mietrechtsgesetz (MRG), im Gegensatz etwa zum Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (WGG), jedenfalls in dessen Vollanwendungsbereich (Altbauwohnungen) vom Vermieter nicht an Mieterinnen und Mieter weitergegeben werden können, sagte Flödl und erkannte darin einen "einseitigen Eingriff des Gesetzgebers".

Auch beim Immobiliendienstleister EHL rechnet man mit Auswirkungen des Bestellerprinzips: In Kombination mit der Inflation und einem erwarteten Angebotsrückgang werde es heuer zu einem Anstieg von sechs bis 8,5 Prozent bei den Mieten kommen, abhängig von Lage, Größe und Ausstattung. Die für die Vermieterseite durch die Gesetzesänderung anfallenden Kosten würden in vielen Fällen wohl in die Mieten eingepreist.

Kreditvergabe: Zwischenfinanzierungen erlauben

Für die Branche positivere Veränderungen kündigen sich mit der Lockerung der Kreditvergaberegeln an, die möglicherweise im zweiten Quartal schlagend wird. Zwischenfinanzierungen sollten berücksichtigt werden, sagte ÖVI-Geschäftsführer Anton Holzapfel; zumindest diese Erleichterung erwartet man sich im ÖVI.

Die derzeit erschwerten Zwischenfinanzierungen sind laut Karina Schunker von EHL für viele Wohnungssuchende ein besonders großes Thema. Die Expertin geht davon aus, dass sich eine Erleichterung in diesem Bereich schon innerhalb kurzer Zeit am Immobilienmarkt niederschlagen würde.

Auch die Reduzierung oder Abschaffung der Grunderwerbsteuer für Menschen, die sich das erste Eigenheim kaufen, sieht man beim ÖVI, dem größten Interessenverband der Branche mit freiwilliger Mitgliedschaft, sehr positiv. Für Holzapfel wären solche Anreize "sehr sinnvoll". Auch bei einer mehr oder weniger gleichzeitigen Umsetzung beider Maßnahmen – Kreditvergabe-Erleichterungen und Grunderwerbsteuer-Nachlässe – sähe Holzapfel nicht die Gefahr, dass es sofort wieder zu einer Überhitzung des Marktes kommen könnte.

(Martin Putschögl, Franziska Zoidl, 11.1.2023)